- Kommunikation -

Die dumpfbackigen Zugbegleiter des Endzeitpessimismus unken ja schon seit Jahren rum, daß wir das Ende der Kommunikation erreicht hätten - und dann malen sie uns diese schrecklichen Bilder vor von abgestumpften Familien, die vor bläulich flimmernden Fernsehern schweigend Paprika-Chips in sich reinmümmeln; von entrückten Tanzflächentramplern, die einsam zwischen megaschallstarken Lautsprechertürmen ihre Kreise ziehen; von fahlfarbige Computer-Eremiten, von Walkman-isolierten Dauerläufen und aus alledem folgerten die blitzgescheiten Zeitgeist-Analytiker, daß der gemeine Mitteleuropäer drauf und dran ist, zu einem sprachlosen Einzelgänger zu mutieren. In ein paar Jahren - so lautete die düstere Prognose - ist der Mensch sprachlos, ein dauerberieselter Zombie, der seine Zunge nur noch dazu benutzt, die Reste von Paprika-Chips aus den Zahnlücken zu prökeln.

Aber da haben sie sich mal wieder bitter getäuscht, die pessimistischen Propheten: Statt andächtig schweigend in der Flut neuer Medien zu ertrinken labert es unentwegt aus allen Ritzen und Winkeln. Kein Thema ist hirnrissig genug um nicht sofort zum Motto einer nachmittäglichen Blubbershow im Fernsehen erhoben zu werden. Ein stinknormaler Werktag liefert im Ein-Stunden-Takt "Bitte such' mir einen Mann", "Gerade 20 und schon Witwe", "Du treibst es zu bunt", "Ich halte es nicht mehr aus", "Wer fragt uns Männer?", "Du hast mich verführt", "Dein Hund hat's besser als ich" und "Du hast dein Glück nicht verdient" - ganz ehrlich, das waren die Talkshowthemen eines wahllos herausgegriffenen Tages und es deutet nichts darauf hin, daß den Leuten demnächst die Worte ausgehen könnten.

Ganz im Gegenteil: Das zwischenmenschliche Mitteilungsbedürfnis steigert sich in immer neue Dimensionen, die selbst den geschmätzigen Moderator wie eine maulfaule Kanalratte erscheinen lassen. Schon lautet das mediale Lieblingsmotto: "Rufen Sie uns an und sagen Sie uns irgendwas" - der Inhalt spielt überhaupt keine Rolle mehr, die Hauptsache ist doch daß man redet, nicht was man redet.

Und insofern wünsche ich mir allmählich doch, daß diese Kulturpessimisten wenigstens ein bißchen Recht gehabt hätten mit ihrer Version von der "schweigsamen Gesellschaft"

Der Blubbertrend des ausgehenden 20. Jahrhunderts scheint ja noch längst nicht seinen Höhepunkt erreicht zu haben. Momentan erleben wir ja auch wieder mal, wie das vermeintlich seriöse Geschäft mit politischer Information zum Ballaststoff verkommt, mit dem kostbare Programmminuten zugegipst werden. Immer wieder die Fragen "Kann man denn schon etwas sagen?" und "Gibt es irgendwelche Hinweise?" - und die Antworten dann "Ist noch nicht abzusehen", "Weiß man nicht" und "Zur Stunde ist das noch vollkommen unklar". Und wenn dann der mühsam dazugeschaltete Korrespondent sein hilfloses "Keine Ahnung" in ausgiebiger Länge und zahllosen wißbegierigen Zwischenfragen beendet hat folgt dann meist noch so ein Experte im Studio, der mit sehr viel Sachverstand und Wortgewandtheit beschreibt, daß Ratlosigkeit auch ein Standpunkt ist. Dann folgt meist ein ranghoher Politiker, der am Ende erklärt, daß man optimistisch bleiben sollte, aber auch mit dem Schlimmsten rechnen muß und am Ende einer jeden Sendung faßt der Onkel im Politstudio mit besorgter Miene zusammen, daß es wohl widersprüchliche Informationen, verschiedene Standpunkte, Differenzen, aber auch Gemeinsamkeiten gibt.

Wenn dies alles nicht so bitterernst wäre könnte man behaupten, daß diese achselzuckenden Aktuell-Veranstaltungen allerfeinste Pseudophilosophie sind. 


zitiert aus PTW vom 11. April 1999
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