- Die
Zeit -
Die Zukunft von Heute ist
die Vergangenheit von Übermorgen. Oder etwas einfacher: All das, was
im ersten Teil unserer sog. Sendung passieren wird, muß zwangsläufig
spätestens dann vorbei, überwunden, vollbracht sein, wenn der
zweite Teil dieser sog. Sendung beginnt. Egal wie klein und schnell die
Dinge sind: Sie passieren irgendwann - im Bruchteil einer Sekunde und wenn
sie passiert sind, sind sie vorbei.
Was folgerichtig zu der schlauen
Frage führt: Wo, bitte sehr, liegt eigentlich die Gegenwart und wie
groß ist sie. Die Antwort ist ebenso simpel wie beunruhigend: Die
Gesetze angewandter Logik belegen nämlich zweifelsfrei und eindeutig,
daß die Gegenwart überhaupt nicht existiert. Um genau zu sein:
Die Gegenwart ist eine virtuelle Rasierklinge, an der sich die Zukunft
in Vergangenheit verwandelt. Da sich die Zeit in einem dauerhaften Fluß
befindet, muß die Ausdehnung dieser Gegenwart "Null" betragen. Selbst
das simple Wörtchen "Jetzt" ist so lang, daß sein erster Buchstabe
- das "Jott" - einen winzigen Augenblick vor dem letzten "T" liegt. Das
heißt: Sobald man das "T" von "Jetzt" ausgesprochen hat, befindet
sich das "Jott" bereits in der Vergangenheit. Insofern ist die Gegenwart
eine völlige Illusion und es erscheint vollkommen unverständlich,
warum man beim Erlernen einer x-beliebigen Sprache immer mit der
leidigen Präsensform abquält, die im Grunde genommen den wahren
Charakter der Zeit vollkommen vernebelt.
Spitzfindige Schlaumeier
werden jetzt natürlich einwenden, daß es durchaus Tätigkeiten
gibt, die eine gewisse zeitliche Ausdehnung haben - zum Beispiel das hemmungslos-faule,
langanhaltende Herumliegen in einer Hängematte. Wer für die Dauer
unserer sog. Sendung in diesem formidablen Möbelstück herumlümmelt,
könnte mit Fug und Recht behaupten: "Ich höre jetzt Pops Tönende
Wunderwelt und liege gegenwärtig in der Hängematte!" Aber erstens
mal: Warum sollte man einen derartig blöden Satz formulieren. Und
zweitens könnte genau in dem Moment, wo man diesen Satz ausspricht,
beispielsweise das heimische Radio-Empfangsgerät seinen Geist aufgeben
und dem gegenwärtigen- Herumlungern in der Hängematte einen bösen
Strich durch die Rechnung machen. Allein die Absicht eine Tätigkeit
aus der näheren Vergangenheit auch in der unmittelbaren Zukunft fortzusetzen
schafft noch lange keine Gegenwart.
Davon ausgehend, daß
der gegenwärtige Augenblick eine zeitliche Ausdehnung von "Null" hat,
muß man sich wiederum fragen, warum der nächste Augenblick länger
sein sollte. Nehmen wir mal den mundgeblasenen Schwan, der aus unerfindlichen
Gründen vom Regalbrett kippt, der Schwerkraft folgt und am Boden zerschmettert:
Dieser letzte Akt seiner Existenz endet ja schließlich nicht in einem
Moment, sondern in mehreren. Zuerst berührt der Schnabel des gläsernen
Schwans den Boden, dann der Hals. Und in dem Moment, in dem der letzte
Teil seines formschönen Körpers zersplittert, liegt der
Bruch des Schnabels bereits in der Vergangenheit. So wie ein Punkt auf
einer Fläche - mathematisch gesehen - keine Ausdehnung haben darf,
so hat auch der Augenblick keine erkennbare Dauer. Seine Dauer ist "Null",
und folgerichtig liegt auch die Dauer etlicher, aufeinanderfolgender Augenblicke
bei "Null". Wenn man also versucht, sich Zukunft und Vergangenheit als
eine Aneinanderreihung zahlloser Augenblicke vorzustellen, so wird man
mit dem billigsten Taschenrechner ermitteln können, daß die
Zeit - im Prinzip - gar nicht existiert, sondern nur eine Ansammlung zeitloser,
inhaltsleerer Augenblicke ist.