- Tiere -

Obwohl der gemeine Mitteleuropäer vorwiegend mit sich selbst und den Abenteuern seines Alltags beschäftigt ist, findet er doch hin und wieder Zeit, sich vollkommen selbstlos der heimischen Flora und Fauna zu widmen. Die Rede ist natürlich nicht von den wochenendlichen Großeinsätzen der Rasenmäher und Heckenscheren, sondern von den ganz wenigen Mit-Lebewesen, die das Glück hatten, als Symbolfiguren auf den Olymp des menschlichen Kalenders gerückt zu werden. Viele sind es allerdings nicht und die Auswahl erscheint auch einigermaßen konfus. Hase, Storch und Maikäfer sind eigentlich die einzigen, die geradezu superstarmäßig vermarktet werden.

Was der Hase mit Ostern zu tun hat, wird ein ewiges Rätsel bleiben, aber immerhin hat er damit das Glück gehabt, verehrt statt gefressen zu werden.

Der Storch wurde aus unerfindlichen Gründen zu einem regelrechten Glücksbringer emporgejubelt, obwohl der langbeinige Klappervogel doch zu den ziemlich schlichten Tierarten zählt. Es zeugt schließlich nicht von geistiger Größe, sich als Nistplatz ausgerechnet eine wacklige Plattform auf dem Dach eines Hauses auszusuchen und dann jedesmal fast vom Stengel zu fallen, wenn unten mal die Musik etwas lauter gedreht wird.

Am bizarrsten allerdings ist die vollkommen abstruse Verehrung des Maikäfers, einem bräunlich-blöden Krabbeltier, daß im Grunde genommen nichts anderes im Kopf hat, als jede liebevoll gehegte Grünzone kahl zu fressen. Jahrzehntelang wurde ein chemisch-biologische Kleinkrieg gegen den gefräßigen kleinen Schädling geführt, und gleichzeitig wurde er in immer größeren Stückzahlen in Schokolade gegossen und immer lautstarker von ziemlich schlecht gestimmten Schulchören besungen. Inzwischen ist der real existierende Maikäfer schon extrem selten geworden, was vermutlich ungemein zu seiner Popularität beigetragen hat - denn der gemeine Mitteleuropäer hat normalerweise nur wenig für Spinnen, Insekten und andere Kleintiere mit langen Beinen und martialischen Mundwerkeugen übrig.

Und mal im Ernst: Der Maikäfer ist (ästhetisch gesehen) auch nicht viel hübscher als die gemeine Küchenschabe. Und obwohl die dem Menschen eindeutig näher steht als dieser banale Maikäfer, ist noch niemand auf die Idee gekommen, Kakerlaken in Schokolade zu verewigen. 


zitiert direkt aus Pops tönender Wunderwelt, Ostern 1999
© vicus 2001